Ein Trauma ist ein Ereignis mit gefühlter bzw. tatsächlicher Bedrohung von Leib und Leben, das mit einem Kontrollverlust einhergeht. Psychische Belastungsgrenzen werden dabei deutlich überschritten. Eine psychische Bewältigung kann zum Zeitpunkt des traumatischen Ereignisses aufgrund einer Vielzahl von Faktoren nicht (ausreichend) möglich sein. Ganz allgemein gesprochen ist ein psychisches Trauma eine vom Gehirn noch nicht verarbeitete Erinnerung.
Zur Beschreibung traumatisierender Situationsfaktoren sind verschiedene Begrifflichkeiten gebräuchlich.
Bei einem Trauma Typ-1 handelt es sich um ein sogenanntes Mono-Trauma.
Ein Mono-Trauma ist ein einmaliges Gewalterleben. Verursacht werden kann ein Mono-Trauma beispielsweise durch technische Unglücke (Unfall, Gas-Explosion, Flugzeugabsturz, etc.) oder durch Naturkatastrophen.
Es können aber auch sogenannte Life Events Ursache eines Mono-Traumas sein.
Life Events sind belastende Lebensereignisse. Der Verlust eines geliebten Menschen, die Geburt eines Babys, schwere Erkrankungen, berufliche und private Veränderungen, das Ende einer Liebesbeziehung, Arbeitsplatz-/Wohnortwechsel, Sterben und Tod gehören zum Leben dazu und werden i.d.R. mit den persönlichen Ressourcen und der Hilfe des sozialen Umfelds gut verkraftet. Unter bestimmten Umständen können Life Events als traumatisierend erlebt werden.
Eine weitere Ursache für ein Trauma ist von Menschhand verursachtes Unglück (man made disaster). Hierzu gehören Gewaltereignisse wie Überfall, Geiselnahme, Kriegserlebnisse und Vergewaltigung.
Bei einem Trauma Typ-2 handelt es sich um ein sogenanntes Komplex-Trauma.
Ein Komplex-Trauma wird verursacht durch wiederholte Gewaltereignisse, durch Serien traumatischer Einzelereignisse und durch über lange Zeit andauernde Traumatiserungen.
Je früher Gewalt auf einen Menschen einwirkt und je länger die Gewalteinwirkung andauert, desto ausgeprägter sind oftmals die Folgen. Besonders schwerwiegende Folgen haben sowohl körperliche, emotionale und sexualisierte Gewalt sowie seelische und körperliche Vernachlässigung in der Kindheit und Jugendzeit.
Chronische interpersonelle Traumatisierungen durch wichtige Bezugspersonen gehen immer auch mit Bindungstraumatisierungen einher und verursachen komplexe traumabezogene dissoziative Störungen.
Zu den Traumafolgestörungen nach ICD-10 gehört z.B. die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Zur Diagnosestellung einer PTBS braucht es die Symptom-Trias: Intrusionen, Übererregung und Vermeidung. In der Diagnose-Klassifikation ICD-11 wurde die komplexe posttraumatische Belastungsstörung (kPTBS) aufgenommen.
Weitere traumabezogene dissoziative Störungen sind u.a. die partielle dissoziative Indentitätstörung (pDIS) und die (volständige) dissoziative Indentitätstörung (DIS).
Die Folgen von Traumatisierungen können vielfältig sein. Neben den spezifischen traumabezogenen Symptomen (Intrusionen, Flashbacks, Amnesien, Erstarren, Alpträume, etc.), verursacht ein Trauma darüber hinaus noch zahlreiche andere Symptome.
Mögliche (nicht spezifische) körperliche Symptome sind Konzentationsmangel, Schlafstörungen, Magen-Darm-Beschwerden, körperliche Missempfindungen, Herz-Kreislauf-Probleme, Schwindelattacken, durch ärztliche Untersuchungen nicht zu erklärende intermittierende oder anhaltende Schmerzzustände, u.a.
Mögliche (nicht spezifische) psychische Symptome sind depressive Verstimmungen, sozialer Rückzug, Verlust des Selbstwertgefühls, übermäßges Misstrauen, andauernde Ängstlichkeit, Stimmungsschwankungen, Hochrisikoverhalten, gestörtes Essverhalten, Suchtverhalten, Zwangsverhalten, u.a.
Ein Trauma kann vom Gehirn nicht auf die sonst übliche Art verarbeitet und als Erinnerung gespeichert werden. Als Folge werden Trauma-Inhalte dissoziert.
Dissoziation bedeutet Trennung oder auch Unterbrechung einer Verbindung. Gemeint ist hier eine Unterbrechung üblicher Funktionen von Bewusstsein, Gedächtnis, Identität oder Wahrnehmung der Umwelt.
Dissoziation kann jeden Bereich auf unterschiedliche Art betreffen. So können beispielsweise alle Details des Traumas bildhaft erinnert werden, während dazugehörige Gefühle und Körperempfindungen vollständig fehlen. Bilder des Traumas oder Bruchstücke davon können das Bewusstsein „anfallsartig“ überschwemmen. Bildhafte Erinnerungen können vollkommen fehlen, während der Körper „erinnerte“ Schmerzen leidet und/oder Trauma-Gefühle den Organismus überfluten. Das gesamte traumatische Ereignis kann nicht erinnerbar sein. Es können ganze Lebensabschnitte wie ausgelöscht sein.
Nicht jedes potentiell traumatisierende Ereignis verursacht Trauma-Folgestörungen.
Die Ausbildung einer traumabezogenen dissoziativen Störungen hängt u.a. ab vom Grad der Verstehbarkeit, der Handhabbarkeit und der Bedeutsamkeit des Ereignisses, ebenso wie von dessen Vorhersagbarkeit und vorhandenen Ressourcen.
Einen wesentlichen Faktor stellt das Lebensalter dar. Erwachsene verfügen über vollkommen andere Bewältigungsfähigkeiten und Coping-Strategien als Kinder.
Ausschlaggebend ist die Reaktion des sozialen Umfelds. Verhalten sich wichtige Bezugspersonen ablehnend, ignorierend oder vorwurfsvoll, wirken Gewalttraumatisierungen deutlich schädigender. Verhalten sich nahe Bezugspersonen liebevoll und haltgebend, können unter bestimmten Umständen die Folgen von Traumatisierungen entschärft werden.
Kann ggfs. professionelle Hilfe zeitnah in Anspruch genommen werden, können Traumafolgenstörungen minimiert und eine Chronifizierung möglicherweise verhindert werden.