Intrusionen sind typische Symptome von Trauma-Folgestörungen. Intrusionen sind quälende Zustände. Unkontrolliert wird der Organismus überschwemmt mit Trauma-Gefühlen und/oder Körper- und Sinneswahrnehmungen (visuell, akustisch, olphaktorisch, gustatorisch, sensorisch).
Nach dem Modell der Strukturellen Dissoziation kommt es im Moment der Traumatisierung zu einer Aufteilung der Persönlichkeit in einen Anscheinend Normalen Persönlichkeitsanteil (ANP) und einen Emotionalen Persönlichkeitsanteil (EP). Während der ANP Aufgaben übernimmt, die für die Bewältigung des Alltags notwendig sind, werden die Bestandteile des Trauma-Ereignisses in den EP dissoziiert.
Diese dissoziative Barriere zwischen ANP und EP sichert das Überleben, indem alles, was mit den überwältigenden Erlebensinhalten während des Trauma-Ereignisses zu tun hatte (Gedanken, Gefühle, Verhalten, Körperempfindungen, Sinneswahrnehmungen), vom Bewusstsein getrennt gehalten wird. Nur so können durch den ANP überlebenswichtige Basisfunktionen wie z.B. Essen und Schlafen, soziale Kontakte, zur Schule gehen, den Beruf ausüben und andere Notwendigkeiten des täglichen Lebens aufrecht erhalten werden.
Bei komplexen Traumatisierungen mit lang andauernden oder Serien von Trauma-Ereignissen wird das Trauma-Material noch weiter aufgeteilt und in mehrere EPs gespeichert.
Durch Auslösereize (Trigger) wird die dissoziative Barriere zwischen ANP und EP durchbrochen. Dadurch dringen die im EP gespeicherten Trauma-Gefühle etc. ins Bewusstsein. Die intrudierenden (eindringenden) traumabezogenen Erlebensqualitäten verursachen ein Empfinden von unmittelbarer Gefahr für Leib und Leben. Das reaktiviert, genau wie in einer tatsächlichen Trauma-Situation, Überlebensreaktionen wie „Fight or Flight“ (sich verteidigen oder sich durch Flucht in Sicherheit bringen), gefolgt von anderen traumabezogenen dissoziativen Symptomen.
Traumabezogene dissoziative Symptome sind vielfältig.
Der Artikel Traumatherapie | Intrusionen & Co. (blog_gestalttherapie_luebeck) beschreibt verschiedene traumabezogene psychoforme dissoziative Symptome und beschäftigt sich mit einigen traumabezogenen Reaktionen und Verhaltensmustern:
- Numbness
- Freeze
- Submit
- Amnesie
- Depersonalisierung
- Derealisation
- Avoidance
- SVV
- Suizidgedanken
Zum Weiterlesen:
Traumatherapie | Intrusionen & Co.
In der Fachliteratur findet man auch ANP (anscheinend normaler Persönlichkeitsanteil) und EP (emotionaler Persönlichkeitsanteil) – eine Wortwahl und Einteilung, die ich nicht gerade begrüße:
– „Anscheinend normal“ impliziert für mich, dass ich hinterfotzigerweise so tue, als wäre ich normal, aber in Wahrheit besch§$%e ich damit die Menschheit – vorsätzlich. Ich in meinem Fall bin für meine gesamte Außenwirkung wirklich erschreckend-faszienierend normal – für meinen Mann, mein Kind (sowieso!), meine Arbeit. Es kommt bei mir nicht vor, dass irgendwelche „Innenkinder“ plötzlich vor den Augen meiner Angestellten durchs Büro hopsen und „Alle meine Entlein“ singen – nicht-hochfunktionale Anteile sind bei mir nur zuhause aktiv, wenn ich allein bin. Ich spiele eben nicht hinterfotzigerweise normal – mein System hat Todesangst, sollte auffallen, dass etwas bei mir nicht normal ist, und schützt sich demnach mit allen Mitteln: Ich vermute, dass vor „alle meine Entlein“ eher eine Anteil einen Brieföffner in meine Halsschlagader rammen würde, so ausgeprägt ist dieser Geheimhaltungsschutz bei mir.
– ANPs können nicht gleichzeitig EPs sein, schreibt M. Huber in einem ihrer Bücher. Vielleicht habe ich ihre Ausführungen völlig falsch verstanden, aber der Satz hat mich einen eintägigen Heulkrampf gekostet: Heißt das, ich kann nicht gesund emotional sein, sowie ich das Haus verlasse (denn nur meine ANPs verlassen das Haus)? Das ist ja fürchterlich! Mit meinen Emotionen bei meiner Hochzeit oder an herrlichen Urlaubstagen stimmt was nicht? Sie sind gar nicht oder sie sind irgendwie falsch? Inzwischen sage ich: Ich stimme nicht zu: Meine ANPs können emotional sein.
Die Herrschaft über die Wahl der Fachwörter haben Menschen, die von der Diagnose leben, nicht mit der Diagnose – das ist sehr schade. Mir ist jeder Fachmensch sympathisch, der gegen die Bezeichnungen ANP und EP aufbegehrt. Kathy Steele und Suzette Boon setzen sich dafür ein, dass ANPs umbenannt werden in „parts active in daily life“ und EPs in „parts stuck in trauma time“. Applaus! … und dann stimmt das auch wieder: Ein Alltagsanteil kann nicht gleichzeitig ein traumanaher Anteil sein.
mehr lesen über Alltagsteams aus ANPs etc: https://distanzblog.wordpress.com/2017/10/08/leserbriefe-zu-002/
Wow!!!! Ganz genau so……….
Es gibt für uns exakt zwei Menschen, die uns erleben dürfen. Alle anderen dürfen nichts merken. Klar es kommt auch schon mal vor, dass ein Innenkind von der Therapie den ganzen Weg nach Hause geht. Aber käme uns ein Fremder zu nah, wäre dieses Kind auch nicht mehr vorne. Niemals würde es geschehen, dass uns in der Öffentlichkeit etwas erstarren ließe, so dass wir unfähig wären uns zu bewegen. Es geschehen auch keine von außen erkennbaren anderen Intrusionen. Nicht solang wir nicht in einem Umfeld sind was sicher ist.
Mir war dauerübel, als diese Ego-State-Begriffe in Mode kamen. Nichts als Stempel, die man uns aufdrückte, um uns in Schubladen einsortieren zu können. Und plötzlich schien jeder Mensch eigentlich multiple zu sein und manche haben ihren Anteilen nur Namen verpasst. Und sie zückten ihre Stempel, dass die Multis sich nur wichtig machen wollen.
Ich mag solche Schubladen grundsätzlich nicht. Dank meiner Thera habe ich inzwischen jedoch zumindest die Bezeichnung ANP für mich anders verstehen gelernt.
Es gibt bei uns einen Funktionsmodus. Ein Zustand in den ich gerate, wenn eigentlich grad alles in größter Not ist, aber außen nichts davon sichtbar werden darf. Exakt dieser Zustand ist ein ANP. Selbiger Anteil ist zu anderen Zeiten, in anderen Situationen allerdings auch hochemotional.
Als EP würde ich einen Anteil bezeichnen, der komplett in der Traumazeit steckt und nicht fähig ist, im Alltag dem biologischen Alter entsprechend klarzukommen. Diese Anteile besitzen auch nicht die Fähigkeit, zu funktionieren, wenn es nötig ist.
Im Grunde finde ich, egal wie, all diese Fachwörter immer dann schwierig, wenn es um Menschen geht, die komplex traumatisiert sind und nichts wichtiger brauchen als respektvollen und wertschätzenden Umgang mit allem was zu ihnen gehört. Da ist Schubladendenken und Einsortieren in Fachbegriffe doch erschreckend kalt und distanziert. Ich frage mich, wie verletzte Kinderseelen heilen sollen, in einem helfenden Kontakt, der sie in Fachbegriffe einsortiert, anstatt sie als das zu sehen was sie sind. Ein traumatisierter Persönlichkeitsanteil in einem inzwischen erwachsenen Körper.
Hm… Ich denke, manche „Schubladen“ sind für Behandler sinnvoll, weil etwa ein Borderline-Patient einen anderen Umgang braucht als eine komplex traumatisierte Person. Die Begriffe „parts active in daily life“ und „parts stuck in trauma time“ empfinde ich als verstehen-wollen eines Einsmenschen. Nur wenn die Behandler abfällige oder unübleregte Bezeichnungen wählen – ungünstig…
Die Unos, die sich mit der athematisch befassen, wollen alle nur verstehen. Auch die, deren Begriffe uns nicht gefallen. Auch die versuchen nur, sich und Betroffenen etwas erklärbar zu machen.
Die Persönlichkeit musste sich aufteilen, um in einer feindlichen Welt überleben zu können. Das ist eine enorme Leistung.
Um verstehen zu können, was dabei passierte, welche Folgen daraus entstehen und wie geholfen werden kann, braucht es Konzepte, die Zusammenhänge abbilden und Worte, die das beschreiben.
Worte können mit unterschiedlichen Bedeutungen und Absichten benutzt werden.
Worum es eigentlich geht, ist verstehen lernen.
Verstehen lernen, welche wichtigen Gründe es in der Traumazeit für jeden einzelnen Anteil gab, genau das zu lernen, was gelernt werden musste, und auf welche Weise das beim Überleben geholfen hat.
Stempel und Schubladen können dabei nicht helfen.
Ob Worte in diesem Sinn oder aber wohlwollend und respektvoll verwendet werden, ist nicht immer ganz so leicht zu erkennen.
Wichtig ist aufrichtiges Bemühen, verstehen lernen zu wollen.
Traumabezogene strukturelle Dissoziation der Persönlichkeit ist eine Überlebensstrategie. Alle Anteile übernehmen eine wichtige Aufgabe, die der Gesamtpersönlichkeit, also dem ganzen Menschen, helfen sollte, unerträglich bedrohliche Lebensumstände zu überleben.
Der Anscheinend Normale Persönlichkeitsanteil (ANP) übernimmt dabei Aufgaben, die zur Alltagsbewältigung erforderlich sind.
In der Traumazeit war es überlebenswichtig, dass der ANP seine Aufgabe so gut erfüllt, dass das Verhalten im Alltag scheinbar normal wirkte. Es durfte nicht auffallen, dass etwas nicht normal war, weil das gefährlich gewesen wäre.
Das Wort „anscheinend“ wird in diesem Sinne gebraucht. Es soll beschreiben, dass der ANP die Aufgabe hatte, auf diese Weise das Überleben zu sichern.
Es bedeutet nicht: „so tun als ob“ oder „boshaft sein“ oder „verrückt sein“.
Emotionale Persönlichkeitsanteile (EP) übernehmen andere Aufgaben als der ANP.
EPs übernehmen Aufgaben, die zum Verteidigungssystem der Persönlichkeit gehören (z.B. Kampf oder Flucht, u.a.). In ihnen sind die traumatisierenden Erfahrungen mit allen Erlebensqualitäten gespeichert, darunter die Trauma-Gefühle.
Das Wort „emotional“ bezieht sich auf die Aufgabe der EPs, die Trauma-Gefühle vom ANP getrennt zu halten, damit dieser seine Alltagsbewältigungsaufgabe meistern kann.
Es bedeutet nicht: „ANPs können keine Gefühle haben“ oder „die Gefühle der ANPs sind falsch oder gar nicht da“.
Steele und Boon benutzen Begriffe, die verständlicher beschreiben, dass es Anteile gibt, die „Alltag machen“ und welche, die „in der Traumazeit feststecken“.
Gemeint ist dasselbe.
Gemeint ist dasselbe, das ist mir klar. Danke für die (erneute) Erklräung von ANP – dennoch zeigt die Zeit und die häufige Reaktion von Betroffenen auf diesen Begriff, dass ein großer Erklärungsbedarf da ist. Gut gewählte Begriffe haben etwas weniger Erklärungsbedarf. Ich würde mir wirklcih wünschen, Fachleute würde übergehen zu PADL/PSTT (oder halt Alltagsanteil / traumanaher Anteil oder vergleichbares). lg s.
Nein, aus meiner Erfahrung, aus immerhin bereits 23 Jahren, die ich als multiple diagnostiziert bin, ist es vollkommen unerheblich welche Fachbegriffe benutzt werden. Sie alle sind Stempel und da ist keiner weniger schlimm als ein anderer. Es geht nicht darum, ob Fachleute diese oder jene Begriffe benutzen. Und auch nicht darum, um welche Diagnose es geht.
Es geht nur und ausschließlich darum, ob der Helfer den Menschen sieht in seinem Ganzen Sein. Oder eben nur in Diagnose-Schubladen einsortiert, um ihn als Fall zu bearbeiten.
Eine Diagnose benötige ich, damit für Behandler und Kostenträger in einem Begriff ein komplexes Bild erfassbar ist. In der Therapie selbst spielt es eine untergeordnete Rolle. Wenn ein Therapeut sich mit DIS auskennt, dann arbeitet er auch mit ihr und nicht auf einer anderen Grundlage. Auch dann nicht, wenn er dafür keine Fachbegriffe benutzt.
Es wäre gut, wenn es Worte mit einer allgemeingültigen Bedeutung gäbe, die von allen Menschen gleichermaßen leicht verstanden werden würden; im alltäglichen Sprachgebrauch genauso wie bei Fachbegriffen.
Die Krux bei Worten ist, dass sie mit unterschiedlichen Bedeutungen benutzt werden können.
Bedeutungen von Worten entstehen im Kontext persönlicher Erfahrungen und Lebensumstände, historischer oder gesellschaftlicher Umstände und auch jeweils gerade vorherrschender wissenschaftlicher Strömungen.
Sogar scheinbar eindeutige Begriffe wie Trauma, Traumatisierung, Traumafolgestörung und Dissoziation werden selbst unter Fachleuten mit teilweise sehr unterschiedlichen Bedeutungen benutzt.
https://gestalttherapieluebeck.wordpress.com/2015/11/15/trauma-trauma/#more-1210
Bis sich Fachwelt wie Gesellschaft auf das Konzept der traumabezogenen strukturellen Dissoziation im Sinne von van der Hart, Nijenhuis, Boon, Steele, etc. verständigt haben, wird es sicher noch eine ganze Weile dauern. Und auch dann werden immer wieder gute Erklärungen nötig sein.
Worte erklären sich nicht immer aus sich selbst heraus, nicht einmal die, die sorgfältig gewählt und respektvoll gemeint sind.
… ich applaudiere dennoch weiterhin Fachleuten, die auf die (recht allgemeine) defensive Resonanz von Betroffenen auf ANP reagieren – und anfangen, das Wort nicht mehr verwenden und auf ein anderes, besser passendes umsteigen lg s.
So wie es auch immer die Betroffenen geben wird, die sich ganz frisch mit der Diagnose auseinandersetzen und ganz überzeugt sind, dass keiner sich so gut mit der Problematik auskennt wie sie selbst.
So wie in den 90ern alle auf Michaela Huber schworen. Und andere schon damals kritisch dazu standen. Selbiges gilt für Therapiemethoden, die zeitlich begrenzt einen Hype auslösen und dann wieder nahezu verschwinden, weil die Wirkung doch zu wenig durchdacht ist. Da gab es gerade erst eine Studie zur Wirksamkeit von DBT bei Menschen mit DIS.
Und mit den verschiedenen Methoden kommen auch unterschiedliche Begriffe auf.
Aber was reden wir über einheitliche Fachbegriffe für die Anteile bei einer DIS, wo wir nicht einmal einheitliche Begriffe für diese Anteil an sich haben. Schreibe ich Innenperson, stößt es mir komisch auf, schreibe ich Persönlichkeitsanteil, schüttelt sich ein anderer Multi.
Und ja genau…….schaue ich in das aktuelle ICD findet sich dort die Bezeichnung DIS gar nicht, sondern noch immer Multiple Persönlichkeitsstörung. Soviel mal dazu………….
Und jede/r Betroffene selbst benutzt auch seine eigenen Worte und hat seine ganz eigene Sicht auf das was in ihm/ihr ist. Was maßen sich dann Betroffene an, die meinen, die Fachleute sollten einheitlich und bitte immer schön zu dem Einzelnen passend die Worte wählen. 😉